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Langlebigkeit in 20 Minuten

  • xvp113
  • 10. Nov. 2024
  • 7 Min. Lesezeit

Im Oktober 2024 wurde ich vom Club Soroptimist International Madrid eingeladen, doch einen Vortrag zum Thema "Langlebigkeit" mit praktischen Tipps zu halten.

"Wieviel Zeit steht mir zur Verfügung - 10/30/90 Minuten?" fragte ich. Wir einigten uns auf 20 Minuten mit 10 Minuten Puffer für Fragen.

Ich organisierte mein Wissen so seriös wie möglich. Hier die Zusammenfassung:


These Nr.1: Wir wollen alle so lang wie möglich leben.

Reaktion: Überwiegend Zustimmung, aber auch skeptische Blicke, deshalb:

These Nr.2: Wir wollen alle so lang wie möglich bei guter Gesundheit leben.

Reaktion: Noch mehr Zustimmung, doch da fehlte immer noch etwas. Deshalb:

These Nr.3: Wir wollen alle so lang wie möglich, bei guter Gesundheit, glücklich und zufrieden leben.

Reaktion: Erleichterung und Zustimmung. Jetzt passte es.


Und wie geht das?

In meiner heimischen Tageszeitung in Deutschland gibt es eine regelmäßige Rubrik, in der besonders alten Menschen zum Geburtstag gratuliert wird.

"Verraten Sie uns das Geheimnis Ihres hohen Alters?" lautet die Frage an die Jubilare.

"Jeden Abend ein Gläschen Rotwein!" "Auf keinen Fall Alkohol trinken!" "Immer in Bewegung bleiben!" "Ein ruhiges Leben führen!" "Kein Fleisch essen!" "Ein gutes Steak tut immer gut!" Die Ratschläge sind vielfältig und vor allem widersprüchlich.


Was ist denn nun Sache?

In Wirklichkeit sind es eine Vielzahl von Faktoren, die beeinflussen, wie lang wir leben. Der Übersichtlichkeit wegen teile ich sie gern in drei Gruppen ein:

Unsere Disposition: Was bringen wir genetisch an Voraussetzungen mit? Was ist günstig, was weniger?

Unsere Exposition: In welchem Umfeld sind wir aufgewachsen, in welchem Umfeld leben wir zur Zeit? Was haben wir gelernt, was beobachtet?

Unser Verhalten: Was machen wir tatsächlich aus unseren biologischen Voraussetzungen, den Umweltbedingungen und den Lebenserfahrungen?


Zum Beispiel Antonia: Sie wurde 1938 in einem spanischen Bergdorf geboren. Beide Großväter und beide Großmütter wurden über 80 Jahre alt. Sie waren arme Bauern, hatten wenig aber genug zu essen, die Ziege sorgte für Milch, die Hühner für Eier und der Hausgarten für Obst und Gemüse. Es gab Zeiten, da war alles knapp und man schlief mit hungrigem Magen ein, aber dann gab es auch Zeiten, in denen genug vorhanden war. Seit ihrer Kindheit lief Antonia jeden Tag mehrere Kilometer zu Fuß, auch heute noch geht sie jeden Tag in die Huerta, den Hausgarten am Rande des Städtchens, betreut dort die Hühner und sät und erntet ihr Gemüse. Ihr Vater starb während des Bürgerkriegs, aber seine Brüder und ihre Mutter wurden alle fast 90 Jahre alt.

Antonias Disposition sieht somit ausgezeichnet aus. Sie kommt aus einer langlebigen Familie, deren Mitglieder offensichtlich auch in schwierigen Zeiten überlebten und den Krankheiten trotzten.

Die Exposition schien auf den ersten Blick ungünstig: die Lebensumstände waren eher arm. Es gab keinen Luxus, nicht einmal Bequemlichkeiten im harten Alltag. Allerdings war genau dies aus heutiger Sicht eher gesundheitsfördernd. Antonia ernährte sich sozusagen gezwungenermaßen gesund: Obst, Gemüse, gesundes Olivenöl, wenig Fleisch, wenig Süßigkeiten. Noch dazu viel Bewegung. Natürlich rauchte sie nicht. Zum Essen trank sie Wein, aber noch mehr Wasser.

Und ihr Verhalten: Sie hatte kaum eine Alternative zu einem gesunden Leben. Sie musste laufen, sie musste immer wieder fasten, sie konnte gar nicht anders, als gesund zu leben. Ich will hier nicht den Mangel schönreden. Antonia und ihre Familie lebten nie in Not oder Elend. Und da sie mit wenig auskommen musste, freute sie sich über jedes kleine bisschen "Mehr".

Sie lebt noch heute selbständig mit ihrem Mann in ihrem Haus, kocht wie eh und je und läuft jeden Tag zwei Kilometer hin und zurück in ihren Garten.


Antonias Tochter Bernarda wurde 1962 geboren. Alles lief glatt, Bernarda war ein gesundes und fröhliches Kind und wuchs zu einer gesunden und fröhlichen jungen Frau heran. Sie heiratete früh und zog mit ihrem Mann nach Hannover in Deutschland, wo sie beide in einer großen Fabrik arbeiteten. Zwischen 1985 und 1989 bekam Bernarda drei Kinder und blieb deshalb zu Hause. Man war nicht reich, aber konnte sich einiges leisten. Vor allem Fleisch kam und kommt regelmäßig auf den Tisch. Und die guten deutschen süßen Teilchen vom Bäcker, da kann Bernarda nicht widerstehen. Seit einiger Zeit hat sie Probleme mit den Gelenken. "Sie haben Gicht!" hat ihre Ärztin diagnostiziert. "Und Sie müssen aufpassen, dass Sie nicht Diabetes 2 bekommen!". Bernarda weiß, dass sie Süßigkeiten reduzieren sollte und ein Auge auf ihren Fleischkonsum haben muss. Aber wo anfangen? Sie nimmt jetzt regelmäßig Medikamente.

Bernardas genetische Disposition ist durchaus günstig. Ihre Exposition in einer Welt voller Bequemlichkeit und Verlockungen eher weniger. Und kann es sein, dass sie durchaus eine Disposition für Gicht und Diabetes geerbt hat, die bei ihren Vorfahren auf Grund des relativen Mangels nicht zum Ausbruch kam?

Ungünstig ist auf jeden Fall ihr Verhalten: Sie kann süßen Verlockungen nicht widerstehen, eine Mahlzeit ohne Fleisch ist "kein richtiges Essen" und ihr Wille sich zu bewegen, ist nicht sehr ausgeprägt. Bernarda ist auf dem besten Weg, ihr Leben zu verkürzen.


Bernardas Tochter Clara, geboren 1989 nach den beiden Söhnen, war der Sonnenschein der Familie. Sie wurde liebevoll herausgeputzt und von allen mit Süßigkeiten und Spielzeug verwöhnt. Nach der Schule machte sie eine Lehre als Bürokauffrau, arbeitete einige Jahre und verliebte sich während des Urlaubs in Spanien bei Großmutter Antonia unsterblich in den Nachbarssohn. 2015 wurde geheiratet und 2018 Tochter Daniela geboren. Leider fand Clara in dem kleinen spanischen Städtchen keine Stelle. Aber das war nicht das Thema. Ihr Mann verdiente als Elektriker nicht schlecht. Und zum Glück gab es ja die sozialen Medien, so dass sie jeden Tag, wann immer sie wollte, mit der Mama in Deutschland und mit allen Freundinnen chatten konnte. Das war wichtig, vor allem während der Corona-Epidemie. In dieser Zeit kam sie mit ihrem Töchterchen gar nicht mehr aus dem Haus. Nun gut, sie chattete, streamte Serien rauf und runter - und änderte ihren Lebensstil auch nach der Epidemie nicht mehr. Clara wiegt inzwischen 35 kg mehr als vor ihrem Umzug nach Spanien. Dabei isst sie, wie sie glaubt, sehr gesund: Sie kocht viel mit dem gesunden Öl, isst gern Nüsse und Mandeln, alles aus dem Garten der Großmutter und trinkt nur gesunde Obstsäfte. Im Augenblick geht sie gar nicht mehr auf die Waage, das macht sie nur depressiv! Überhaupt - eigentlich sollte sie mit ihrer süßen kleinen Tochter viel glücklicher sein. Warum schafft sie das nicht?

Clara zehrt noch von der guten genetischen Ausstattung durch ihre Vorfahren. Allerdings sind die Umweltfaktoren zu einer starken Macht geworden, der sie nicht gewachsen ist: der Umzug in eine doch sehr andere Welt: von einer Großstadt in einen kleinen Ort, von Deutschland nach Spanien, der Verlust ihrer alten sozialen Strukturen, der Verlust ihrer Arbeit und der Anerkennung nicht nur finanzieller Art, die Schwangerschaft und das Leben als Mutter, die zusätzliche Isolierierung durch die Corona-Epidemie und die damit verbundene Veränderung des Lebensstils.

Es fehlt ihr an Wissen, z.B. dass Olivenöl zwar gesund ist aber auch, wie jedes Fett, eine Kalorienbombe, die nur in therapeutischen Dosen, genossen werden darf, genau wie Obstsäfte. Es fehlt ihr an der Bereitschaft, sich zu bewegen und Kalorien zu verbrauchen. Wenn sie jetzt nur noch ein Kilo pro Jahr zunimmt wird sie mit Anfang 40 über 45 kg Übergewicht haben und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine kranke und schmerzhafte zweite Lebenshälfte durchleben und ganz sicher nicht das Alter ihrer Großmutter erreichen.

Hinzu kommt, dass Clara absolut nicht glücklich in ihrem Leben ist. Was kann sie ändern? Aber was kann sie tun, um glücklicher zu werden?

An dieser Stelle kommen wir zum psychologischen Teil unserer Lebensgestaltung: Wie weit beeinflusst unser Verhalten unseren Lebensstil? Warum tun wir so oft das Falsche, obwohl wir wissen, dass es falsch ist?

Warum sind wir deprimiert, wenn wir über unser Übergewicht nachdenken und müssen uns erst einmal mit einer Tafel Schokolade trösten?

Wir wissen, dass Rauchen ungesund ist und müssen darauf hin erst einmal eine Zigarette anzünden.

Wir wissen, dass wir jeden Tag soundsoviel Schritte gehen sollten, haben aber 1001 Gründe, warum wir es besser sein lassen.

Diese Widersprüche sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Letzten Endes gibt es viele Ergebnisse, die aber nur selten dazu führen, dass wir uns tatsächlich ändern.

Eines allerdings zählt durchaus. Wir wissen inzwischen, wie wir glücklicher oder zumindest zufriedener leben können.

Dies zeigt der derzeitige Stand der Glücksforschung. Er betont drei wesentliche Faktoren für ein zufriedenes Leben:

  1. Geld macht glücklich. Geld allein sicher nicht. Aber bis zu einer gewissen Grenze ist Geld und die damit verbundene Sicherheit eine wichtige Komponente für eine glückliches Lebensgefühl. Wie hoch ist der Betrag, den es zum Glücklichsein braucht? Da diese Zahlen nie aktuell sind, beschreibe ich ihn so: Wenn das Einkommen so hoch ist, dass man in Ruhe wohnen kann, ein funktionierendes gutes Auto hat, sich einen Urlaub leisten kann, die Versorgung bei Krankheit und im Alter und die Ausbildung der Kinder gesichert ist. Ab dieser Grenze macht Geld die Menschen nicht im gleichen Ausmaß glücklicher. Je mehr Geld, desto glücklicher gilt also nicht!

  2. Gemäß unseren Stärken leben zu können, macht glücklich. Wir alle haben Fähigkeiten, die wir für unsere Stärken halten. Wenn wir diese Fähigkeiten regelmäßig leben können, sind wir glücklicher als wenn dies nicht der Fall ist. Dies zeigen die bahnbrechenden Untersuchungen von................ Martin Seligman gibt uns in seinem Buch dafür konkrete Anleitungen.

  3. Soziale Kontakte machen uns glücklich. Aber nicht unbedingt die einzige und große Liebe. Sondern vor allem die vielen Mitmenschen um uns herum. Die Kolleginnen, die feststellen, dass wir heute besonders gut oder schlecht aussehen, die Verkäuferin im Supermarkt, die nachfragt, ob wir krank waren, sie habe uns so lange nicht gesehen, die Bedienung im Bistro, die kurz nickt "Wie immer?". Wir brauchen andere Menschen, um uns zu vergewissern, dass wir existieren, um uns zu messen und zu vergleichen, um zu berühren und berührt zu werden, um zu lieben und geliebt zu werden. Intensive Beziehungen sind wichtig, reichen aber allein nicht aus. Und es ist nicht unbedingt die körperliche Präsenz und die Vielzahl der Kontakte, sondern das subjektive Gefühl der Verbundenheit.


Was heißt dies alles jetzt für unsere Chancen, ein langes gesundes und glückliches Leben zu führen?

Einige günstige genetische Disposition ist schon mal nicht schlecht. Allerdings können Lebensumstände hierauf günstig oder ungünstig einwirken. Und schließlich übt unser Verhalten einen unter Umständen entscheidenden Einfluss auf Leben und Tod aus.






 
 
 

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